Interkontinentalrakete A9/10 (“Amerika-Rakete”)
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Obgleich ihre offizielle Bezeichnung HVP
(Heeresversuchsanstalt Peenemünde) war, wurde sie in der Öffentlichkeit unter dem Tarnnamen EMW (Elektromechanische Werke) geführt. Nach Abschluss der A 4 Entwicklung (d.h. der V2) teilte sich die Forschungsarbeit in zwei Richtungen. Die eine befasste sich mit der Vergrösserung ihrer Reichweite (A4b, A 9/A10), die andere mit der Entwicklung von Antrieben, welche mit solchen Treibstoffen betrieben werden konnten, welche die schwere angeschlagene deutsche Industrie leichter produzieren konnte. ... Die wichtigsten Forschungen waren jedoch jene zur Verlängerung der Reichweite der A 4. ... (Bild: Entwurf der zweistufigen Interkontinentalrakete A 9/10)
... Die Reaktion des Heeres auf die amerikanischen Angriffe war der Entwurf der “Amerika-Rakete”
, ein gigantisches Waffensystem von grosser Reichweite, basierend auf der Zweistufenrakete A 9/A 10 und in
der Lage, New York zu treffen. (Bild: Skizze des bemannten A 9 Raketenprojektes)
Die A 10 war eine sehr grosse Beschleunigungsrakete mit der Aufgabe, die A 4 mit deren gesamten
Treibstoffvorrat auf 24.000 m Höhe zu bringen und damit ihre Reichweite zu vervielfachen. ... Die
verwendete Technologie war bereits bekannt (flüssiger Sauerstoff und Alkohol plus Wasserstoffsuperoxyd
für die Turbopumpen) und ausreichend, um die Machbarkeit des Projekts zu beweisen. An einer etwas
fortgeschritteneren, auch für den Einsatz vorgesehenen Version wurde gearbeitet: die A 9 mit grösserer
Gleitstrecke und mit einer Sprengladung von 910 kg Amatol 60/40 sollte die A 4 ersetzen. Mit einer
besonderen Funksteuerung versehen, sollte ihr Flug von Radarpositionen auf U-Booten gelenkt werden.
Um die Genauigkeit zu verbessern, war auch eine bemannte Ausführung vorgesehen. Für die
Einsatzversion der A 10 war vorgesehen, sie mit einem aussergewöhnlich grossen Triebwerk zu versehen,
welches für den Treibstoff "Salbei" (Salpetersäure) und Dieselöl geeignet war. Sie waren einfacher
herzustellen und zu lagern als kryogene Treibstoffe.
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“Zielpunkt New York”
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“... auf das frühe Projekt einer zweistufigen Interkontinentalrakete, mit der man die USA treffen will, kommt man in Peenemünde Anfang
1945 zurück.”
(Die Karte zeigt die geplante Einschlagsstelle in Manhatten und das Diagramm darüber den jeweiligen Zerstörungsgrad.)
“... Nie aber habe ich ihn so außer sich gesehen wie gegen Ende des Krieges, als er sich und uns den Untergang New Yorks in
Flammenstürmen ausmalte. Er beschrieb, wie sich die Wolkenkratzer in riesige brennde Fackeln verwandelten, wie sie durcheinander stürzten, wie der Widerschein der brennenden Stadt am dunklen Himmel
stand, und meinte, wie aus einer Ekstase zurückfindend, Saur solle den Entwurf Messerschmidts für einen vierstrahligen Fernbomer sofort in die Wirklichkeit umsetzen. Mit seiner Reichweite könnte wir in
Amerika tausendfache Vergeltung für den Untergang unserer Städte üben ...” (Albert Speer über Adolf Hitler, Spandauer
Tagebücher, 2. Auflage Berlin 1993, S.126/127)
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... und auch ein ehemaliger Bundespräsident
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...Peenemünde ist Mythos. Rund 5000
Fachleute waren an der Pioniertat beteiligt. Angeführt wurde das Team von einem Aristokraten, der meist im weißen Kittel, zuweilen aber auch in SS-Uniform herumlief und den das US-Magazin "Time" später zum "Universalgenie" und "Symbol der westlichen Raumfahrt" verklärte: Wernher von Braun.
"Wissenschaft an sich besitzt keine moralische Dimension", meinte der bei Bromberg geborene Sohn eines Gutsbesitzers, unter dessen Leitung den Amerikanern schließlich die Eroberung des
Erdtrabanten gelang. Im Juli 1969 setzte eine Mondfähre im Meer der Ruhe auf. Braun hatte seinen Lebenstraum wahr gemacht. Doch um welchen Preis: Insgesamt 5975 Raketen wurden bis Kriegsende
im "KZ Mittelbau-Dora" im Harz unter Tage produziert. Mit Kreuzhacken und
Presslufthämmern trieben Häftlinge die unterirdischen Stollen voran. Um die Staubkruste vom Gesicht zu kriegen, wuschen sich die Männer mit Urin. Sie schliefen auf Zeitungspapier. "Diese
Hungergestalten lasten schwer auf der Seele jedes anständigen
Mannes", erklärte später der Raketenchef. Gleichwohl war er persönlich ins KZ Buchenwald gefahren, um für sein Projekt geeignete Häftlinge auszusuchen. Insgesamt forderte die Serienfertigung der V2 etwa 25.000 Menschenleben.
Der Historiker Jens-Christian Wagner hat jetzt weitere Dokumente über die Sklavenarbeit vorgelegt. "Auch
in Peenemünde existierten zwei Konzentrationslager", berichtet er, "arbeitsunfähige Häftlinge kamen in ein Massengrab." Das neue Beweismaterial belastet vor allem den ehemaligen
Bundespräsidenten Heinrich Lübke schwer. Als oberster Bauleiter von
Peenemünde ließ er Flugpisten, Prüfstände und Gebäude errichten. Unter seiner Regie wurden Tausende Zwangsarbeiter geschunden. "Fest steht", so Wagner, "dass Lübke von 1943 bis 1945 die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen hatte." ...
Als die Russen am 4. Mai 1945 die Versuchsanstalt besetzten, bot sich ihnen ein imposantes Bild. Der Raketenhangar am Prüfstand VII war auf zukünftige Weltherrschaft angelegt. Mit einer Höhe
von 32 Metern hätte die Halle auch die zweistufige A9/10 aufnehmen können. Konzipiert als Interkontinentalwaffe, sollte diese Rakete bis nach Amerika fliegen. All diese monströsen Visionen wären
undenkbar ohne den Raketen-Maniac Braun. Zweimal wurde er bei Hitler vorstellig und pries seine Waffe an. Auch der Rüstungsminister Albert Speer hoffte auf die "Planung eines Wunders".
Militärisch gesehen gedieh das Projekt zum größten Fehlschlag überhaupt. Gut 3000 V2 flogen in den letzten Kriegsmonaten Richtung London und Antwerpen. Längst nicht alle trafen. Der
US-Historiker Michael Neufeld nennt die V2 eine "in jeder Hinsicht einzigartige Waffe. Bei ihrer Produktion starben mehr Menschen als durch ihren militärischen Einsatz".
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aus: “Spiegel” vom 28. Mai 2001 (www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,136477,00.html)
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Quellen und Links:
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“Interkontinentalrakte A9/10”: Archiv der deutschen Luftwaffe www.luftarchiv.de (“Flugkörper”-Seite)
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“Zielpunkt New York”: www.betten-24.de/a9-a10.htm (“Das Pommersche Bettenmuseum am Flugplatz in Peenemünde lädt Sie zu einem verträumten Besuch ein.”)
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www.zeitmaschinisten.de/mondwtl/k1/v2_r7.html (“Von der V2 bis zur ersten Interkontinentalrakete R7”)
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